„Die Hummerschwestern“ ist ein Buch mit einer ganz besonderen und eigenwilligen Grundstimmung. Es scheint etwas in der Luft zu liegen, das aber nicht greifbar wird. Als Leser meint man, am Horizont ein Gewitter aufziehen zu sehen. Und tatsächlich: Mit feiner Regelmäßigkeit kommt ein stürmischer Wind auf, prasselt Regen hernieder, schlägt ein Blitz ein. Der Roman ist bestimmt von einer unterschwelligen Spannung, einer an die Oberfläche dringenden Dramatik. Doch dabei lässt sich Vieles nur erahnen, die Autorin beschränkt sich sehr oft auf Andeutungen und lässt Manches ungesagt. Und gerade das macht dieses Buch so besonders.Der Leser wird Zeuge einer siebzig Jahre langen Familiengeschichte. Er erlebt so manches Glück, aber auch Momente der Trauer und Enttäuschung. Es gilt, Schicksalsschläge zu verkraften und zu lernen, aufzustehen, nachdem man gefallen ist. Idella und Avis, die beiden Schwestern, die im Vordergrund des Buches stehen, führen kein leichtes Leben. Die Mutter verstorben, die kleine Schwester weggegeben, der Vater ein Trinker, der Bruder ein Einzelgänger. Jede Figur in diesem Roman ist eigen und besonders. Aber jeden schließt man sofort in sein Herz. Und erst hinterher merkt man, dass man lieber etwas vorsichtiger hätte sein sollen. Denn vor allem das junge Hausmädchen Maddie, das so liebenswert wirkt, birgt große Geheimnisse in sich und sorgt für so manchen Ärger.Die Handlung des Romans ist sehr abwechslungsreich, aber nicht außergewöhnlich. Beverly Jensen ist mit der Entwicklung der Ereignisse sehr bodenständig geblieben. Jedes Geschehen ist realistisch, nachvollziehbar und vor allem glaubhaft. Als Leser wird man in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurückversetzt und in den damaligen Lebensstil einbezogen. Man wird zusammen mit Avis und Idella erwachsen, verfolgt ihre Lebenswege, die sich trennen, aber auch wieder verbinden. Die Schwestern sind sehr unterschiedlich, aber doch irgendwie auch gleich. „Die Hummerschwestern“ ist ein Familienroman, wie er sprichwörtlich im Buche steht.Der Schreibstil der Autorin ist feinfühlig und überaus lebendig. Sie schafft es problemlos, den Leser direkt in ihre Geschichte einzubeziehen und ihn an sie zu fesseln. Beverly Jensen beschränkt sich dabei aber eindeutig auf das Beschreiben von Ereignissen und Handlungen, Darstellungen der Handlungsumgebung bleiben eher im Hintergrund. Was aber überhaupt nichts macht – ist das Buch dadurch doch viel lebendiger.„Die Hummerschwestern“ ist ein sehr bewegendes und berührendes Buch. Avis sorgt mit ihrem Auftreten zwar für so manche Schmunzler und es gibt sicherlich auch einige humorvolle oder leichtherzige Szenen. Aber doch bleibt durchweg dieser schon erwähnte Hauch von Dramatik, der für ungemeine Spannung sorgt.Mein Fazit:Ein tolles Buch! Schade, dass es keine weiteren Romane von Beverly Jensen geben wird – jedes davon wäre mit Sicherheit lesenswert gewesen. Als Ben Hillocks Frau bei der Geburt des vierten Kindes stirbt, sind seine Töchter sechs und knapp acht Jahre alt, der Sohn ist zwölf. Das Baby, Emma, wird zu Verwandten gegeben. Eddie versucht zunächst, Feldarbeit, Hummerfang und die Erziehung seiner drei Kinder zu stemmen. Die Familie lebt in einer englischsprachigen Region in der Nähe von Salmon Beach in der kanadischen Provinz New Brunswick. Im Mittelpunkt der miteinander verknüpften Geschichten, die siebzig Jahre umspannen, steht Idella, die ältere Tochter, Della genannt. Della fühlt sich für die Familie verantwortlich, schuftet im Haushalt und kann als Kind noch nicht einsehen, dass Vater und Geschwister mehr brauchen als Mahlzeiten und saubere Wäsche. Der einzige Sohn Dalton schläft in der Scheune, um nicht mit dem Vater aneinander zu geraten, und fährt schon allein zum Hummerfang auf See. Eddie reagiert unbeherrscht, wenn er getrunken hat, und ängstigt seine Töchter in diesem Zustand. Als ihre Mutter noch lebte, versuchte sie mit großer Güte zwischen den Kindern und dem aufbrausenden Vater zu vermitteln. Im Grunde seines Herzens ist Eddie ein liebevoller Vater mit erstaunlichem Einfühlungsvermögen in Avis und Dellas Mädchenangelegenheiten. Nach mehreren erfolglosen Versuchen mit Hausmädchen aus dem französischsprachigen Teil der Provinz über die Runden zu kommen, gibt Eddie auf. "Ich bin am Ende. Das Leben ist nichts als Arbeit und sonst fast nichts", muss Eddie einsehen. Er entlässt das Hausmädchen Madeleine und schickt Idella und Avis zu Verwandten, die zu dem Zeitpunkt selbst schon sieben Kinder haben. Die Mädchen erhalten drei ruhige Jahre lang die Chance zur Schule zu gehen, ehe Eddie sie zurückruft, weil er nach einem Jagdunfall pflegebedürftig ist. Della wird als Arbeitskraft gebraucht, ein Ende der Plackerei im Haushalt ist für sie nicht abzusehen. Ihren Vater fürchtet sie noch ebenso wie in ihrer Kindheit. Dalton weist durch seine Abgrenzung symbolisch auf die Sprachlosigkeit in der Familie hin. Eifersucht der Geschwister untereinander, auch auf Emma, bei deren Geburt die Mutter starb, Schuldzuweisungen gegenüber Vater und Schwester werden von den Kindern mit großer Anstrengung unterdrückt. Avis Leben wird später eine tragische Wende nehmen, vielleicht geprägt davon, dass sie von den drei Geschwistern die wenigsten Erinnerungen an ihre Mutter hat. Alle drei werden später feststellen, dass das Leben auf dem Land sie nicht auf ihr späteres Leben vorbereiten konnte. Mit neunzehn Jahren verlässt Della das Haus auf der Klippe endgültig und sucht sich in Boston/USA eine Stelle als Hausmädchen.Der Originaltitel "The Sisters form Hardscrabble Bay" trifft die Atmosphäre des Familienromans genauer als der deutsche Titel; denn Hummer spielten zwar eine wichtige Rolle in Eddies und Daltons Leben, weniger in dem der Schwestern. Mehrere Episoden aus der Kindheit der Hillock-Mädchen, die Anfang des 20. Jahrhunderts spielen, sind bereits als Kurzgeschichten veröffentlicht worden. Beverley Jensen konnte ihren Roman selbst nicht vollenden, er wurde erst nach ihrem Tod veröffentlicht. Die Entwicklung der Familienbeziehung zwischen dem verwitweten Ben und seinen Kindern hat mich im ersten Drittel des Romans stark gefesselt. Im mittleren Teil des Buches heiratet Della Edward Jensen und lebt zeitweilig mit ihm bei den Schwiegereltern. Dass Della und die Autorin beide Jensen heißen, lässt vermuten, dass die eigene Familiengeschichte die Autorin zu ihrem Roman angeregt haben könnte. Der zweite und dritte Teil des Romans, der Dellas eher banalen Erlebnissen in ihrer Ehe mit Eddie folgt, hat mich weniger gut unterhalten. Avis und Dalton treten im Roman nicht aus dem Schatten ihrer Schwester; ihr Schicksal spielt bis kurz vor dem Ende der Geschichte in den 80er Jahren eine Nebenrolle. Der letzte Teil vereint die Geschwister mitten in einem Blizzard wieder in ihrer Heimat und bringt endlich zur Sprache, über was bei den Hillocks jahrzehntelang geschwiegen wurde. Ein Buch wie Aprilwetter, bei dem ich oft nicht wusste, ob ich lachen oder weinen sollte.Textauszug"Nach Hause. Zurück zu dem Haus und der Scheune oben auf der Klippe, von der aus man die Chaleur-Bucht überblicken konnte. Zu den gebogenen Bäumen die in der Nähe des Hauses wuchsen, gekrümmt vom kalten, immerwährenden Wind, der übers Wasser blies. So wurden auch die Menschen, dachte Idella, wenn sie ihr Leben dort oben verbrachten - krumm und knorrig und hart, an dem Ort verwurzelt. Der Wind hatte dieselbe Wirkung auf Menschen wie auf Bäume. Er heulte und biss, besonders im Winter, und krallte sich an einem fest. Man konnte nichts anderes tun als den Kopf einzuziehen und dorthin zu laufen, wohin man wollte, was nie sehr weit war - zur Scheune oder zum Feld oder zur Kutsche nach New Bandon, zwei Meilen die Straße hinab." S. 136
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This started out strong but then slowed down and I ended up skimming the second half.
—Jossy
A story about two sisters who live hard lives without any "frills".
—tovelinnea
Last time I checked, books were supposed to have a plot.
—rosebud